Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Dr. Jasper Prigge, LL.M.

Dr. Jasper Prigge, LL.M. Foto: Prigge Recht

Die No SLAPP Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit in Deutschland wird von derzeit 17 Rechtsexpert*innen unterstützt, um die Schulungen und andere Angebote der Anlaufstelle auf fachlich höchstem Niveau zu halten. Und um bei konkreten SLAPPs bestmöglich rechtliche Beratung zu vermitteln, bei Fällen mit presse- und äußerungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen, aber auch strafrechtlichen Dimensionen. 

Mit dieser Interviewserie stellen wir die Beirätinnen und Beiräte einzeln vor, heute mit Perspektiven von Dr. Jasper Prigge, LL.M. Jasper Prigge ist als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht in eigener Kanzlei in Düsseldorf tätig. Er hat zum Thema SLAPPs bereits wissenschaftlich publiziert und war PATFox Germany Schulungsleiter.

1 Welchen Bezug haben Sie zum Thema SLAPP - mit welchen Formen von Einschüchterung durch rechtliche Mittel beschäftigen Sie sich besonders intensiv?

Als Anwalt habe ich immer wieder mit Verfahren zu tun, in denen Initiativen, Verbänden oder Einzelpersonen die Äußerung ihrer Meinung untersagt werden soll. Nicht immer handelt es sich dabei um SLAPPs, aber in einigen Fällen hatte ich schon den Eindruck, dass es der Gegenseite weniger darum geht, ihre berechtigten Interessen durchzusetzen, als darum, durch Abmahnungen und Gerichtsverfahren kritische Äußerungen zu unterdrücken. Dabei handelte es sich um vermögende Einzelpersonen und große Unternehmen, beispielsweise aus dem Energiesektor. Wir stehen in solchen Verfahren an der Seite derer, die eingeschüchtert werden sollen. Neben der Verteidigung vor Gericht unterstützen wir in der Öffentlichkeitsarbeit. Denn wenn man abgemahnt oder verklagt wird, sollte man weitere Angriffspunkte vermeiden. Das ist als Anwalt herausfordernd, aber auch sehr spannend.

2 Was sind Ihre Ratschläge für Betroffene von rechtlichen Einschüchterungsversuchen?

Ruhe bewahren, die Lage fachkundig einschätzen lassen und eine Strategie entwickeln, die zu den eigenen Bedürfnissen passt. Oft zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass an Drohungen wenig dran ist, beispielsweise wenn hohe Schadensersatzforderungen in den Raum gestellt werden. Aber das muss man prüfen, um dann entscheiden zu können, wie man vorgeht. Ein weiterer Aspekt ist, die finanziellen und personellen Ressourcen zu schaffen, um die Auseinandersetzung führen zu können. Deswegen ist es auch so wichtig, dass es die No-SLAPP-Anlaufstelle gibt, die Kompetenzen bündelt.

3 In der Richtlinie „ x“ wurde SLAPP zum ersten Mal in Europa von offizieller Seite definiert. (Inwiefern) beeinflusst diese Formulierung ihre Arbeit jetzt schon, noch vor der Umsetzung in nationales Recht?   

EU-Richtlinien haben eine gewisse Vorwirkung, sie sind also bei der Auslegung von deutschem Recht zu berücksichtigen. Bereits jetzt weisen wir die Gerichte darauf hin, wenn wir meinen, dass Indizien für eine missbräuchliche Verfahrensführung vorliegen, beispielsweise wenn in der Abmahnung überhöhte Streitwerte angesetzt wurden. Zwar ist auch nach deutschem Prozessrecht ein Rechtsmissbrauch unzulässig. Bei den Gerichten gab es dafür bislang nach meiner Wahrnehmung aber nur wenig Sensibilität. Die Richtlinie trägt hoffentlich dazu bei, dass sich daran etwas ändert.

4 Worauf sollte der Gesetzgeber hierzulande bei der Umsetzung unbedingt achten?

Aus meiner Sicht sollte Deutschland die Richtlinie nicht nur pflichtschuldig umsetzen, sondern überlegen, was es braucht, damit der Schutz der Meinungsfreiheit auch in der Praxis wirksam wird. Meine Kollegin Nadine Dinig und ich haben dazu jüngst in einem Fachbeitrag erste Vorschläge gemacht. Insbesondere sollten Abmahnungen bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen, damit sie wirksam sind. Das gibt es bereits im Urheberrecht und im Wettbewerbsrecht. Der Gesetzgeber könnte hieran anknüpfen und damit den Schutz vor SLAPPs verbessern, ohne zugleich die Durchsetzung berechtigter Forderungen unangemessen zu erschweren.

5 Welches öffentliche Verständnis von SLAPP schlagen Sie bis zur Umsetzung vor - welche Fälle sollten als SLAPP verstanden werden, welche vielleicht auch nicht?  Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, was die Öffentlichkeit über SLAPPs wissen sollte?  

Es ist wichtig zu differenzieren: Nicht jede Auseinandersetzung über Äußerungen ist ein SLAPP. Es braucht ein missbräuchliches Vorgehen. Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist nicht leicht zu beurteilen. Die Richtlinie nennt verschiedene Indizien und man muss den einzelnen Fall darauf untersuchen, ob der Rechtsmissbrauch im Vordergrund steht oder ob es sich um die Durchsetzung berechtigter Forderungen handelt.

6 Wie können rechtliche Einschüchterungsversuche Ihrem Verständnis nach besonders gut abgewehrt werden? Wenn Sie Ihre Mandant*innen gegen SLAPPs verteidigen, welche Dinge brauchen Sie dann in Ihrem Werkzeugkasten? 

Die Verteidigung gegen SLAPPs bedeutet viel Arbeit in sehr kurzer Zeit. Mitunter stecken wir dutzende Arbeitsstunden in ergänzende Recherchen, teilweise müssen wir auch Expert*innen hinzuziehen, beispielsweise wenn es um naturwissenschaftliche Fragen geht. Entscheidend ist daher, möglichst frühzeitig eingebunden zu werden, wenn es auf eine Auseinandersetzung hinausläuft. Ein Netzwerk wie die No-SLAPP-Anlaufstelle ist an dieser Stelle hilfreich. Darüber hinaus ist die Finanzierung ein großes Thema. Ansonsten gilt, dass Öffentlichkeit ein wichtiger Faktor ist. Mit SLAPPs sollen Betroffene so eingeschüchtert werden, dass sie den Mund halten. Das geht natürlich nach hinten los, wenn der Versuch dann öffentlich thematisiert wird. Aber auch hier gilt, dass wir sehr genau arbeiten, um weitere Risiken für die Betroffenen zu reduzieren.

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Studie “Feindbild Journalist*in”: SLAPP-Klagen als wachsende Bedrohung für die Pressefreiheit in Deutschland

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Fallbesprechung: Recherche zu potentieller Korruption im Landkreis