Anlaufstelle schult Journalist*innen und gewerkschaftlich Aktive bei Tagung in Köln

Am vergangenen Samstag fand in der Alten Feuerwache in Köln ein ganztägiges Seminar zum Thema "SLAPPs gegen Gewerkschafter*innen und Betriebsräte" statt. Die Veranstaltung, organisiert von der No SLAPP Anlaufstelle in Kooperation mit der Aktion gegen Arbeitsunrecht, verzeichnete mit 55 Teilnehmenden, darunter sieben Journalist*innen, einen beachtlichen Zuspruch. Das große Interesse unterstreicht die wachsende Bedeutung des Themas im betrieblichen Kontext.

SLAPP-Klagen als Bedrohung für innerbetriebliche Demokratie

Im Mittelpunkt des Seminars standen sogenannte "Strategic Lawsuits Against Public Participation" (SLAPPs) – strategische Klagen, die nicht primär auf einen juristischen Erfolg, sondern auf die Einschüchterung kritischer Stimmen abzielen. Die Rechtsanwälte Eberhard Reinecke und Sven Tamer Forst erläuterten, wie diese Form rechtlicher Einschüchterung zunehmend auch gegen Gewerkschafter*innen und Betriebsratsmitglieder eingesetzt wird.

"Wir beobachten eine besorgniserregende Zunahme von Fällen, in denen engagierte Beschäftigte mit rechtlichen Mitteln zum Schweigen gebracht werden sollen", betonte einer der Organisator*innen der Aktion gegen Arbeitsunrecht. "Dabei geht es weniger um das Durchsetzen berechtigter Ansprüche als vielmehr darum, durch hohe Kosten und psychischen Druck kritische Stimmen auszuschalten."

Praktische Handlungsstrategien statt Selbstzensur

Besonderes Augenmerk legte das Seminar auf praktische Handlungsstrategien im Umgang mit rechtlichen Einschüchterungsversuchen. Die Rechtsexperten vermittelten konkrete Hinweise zum Umgang mit Unterlassungsaufforderungen und beleuchteten typische Fehler, die Betroffene in solchen Situationen machen.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf präventiven Maßnahmen: Wie können Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen ihre Anliegen öffentlich machen, ohne sich unnötig angreifbar zu machen? Die Referent*innen betonten dabei die Bedeutung sorgfältiger Recherche und präziser Formulierungen, warnten jedoch zugleich vor übermäßiger Selbstzensur.

Der "fliegende Gerichtsstand" als strategisches Problem

Ein kontrovers diskutiertes Thema war der sogenannte "fliegende Gerichtsstand", der es Klägern ermöglicht, bundesweit vor einem Gericht ihrer Wahl zu klagen. Die besondere Rolle des Landgerichts Hamburg, das bei Unterlassungsklagen als besonders klägerfreundlich gilt, wurde dabei kritisch beleuchtet.

"Es ist kein Zufall, dass viele SLAPP-Klagen vor dem Landgericht Hamburg landen", erläuterte Rechtsanwalt Forst. "Die Möglichkeit, ein strategisch günstiges Gericht auszuwählen, verstärkt die Einschüchterungswirkung solcher Klagen erheblich." Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands wurde von den Referenten als eine zentrale legislative Maßnahme gegen SLAPP-Klagen benannt.

EU-Richtlinie bietet neue Chancen

Im Rahmen des Seminars wurde auch die 2024 verabschiedete Anti-SLAPP-Richtlinie der EU diskutiert, die bis Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Richtlinie sieht unter anderem die Möglichkeit vor, offensichtlich unbegründete Klagen frühzeitig abzuweisen und die gesamten Verfahrenskosten der klagenden Partei aufzuerlegen.

"Die EU-Richtlinie bietet eine historische Chance, den Schutz vor Einschüchterungsklagen zu verbessern", betonte der Koordinator der No SLAPP Anlaufstelle. "Es kommt nun darauf an, dass Deutschland bei der nationalen Umsetzung über die Mindeststandards hinausgeht und einen umfassenden Schutz auch für nationale Fälle sicherstellt."

Öffentlichkeit als Schutzschild

In den praktischen Workshops des Nachmittags erarbeiteten die Teilnehmenden Strategien, wie juristische Angriffe in der öffentlichen Kommunikation genutzt werden können. Der sogenannte "Streisand-Effekt" – das Phänomen, dass Versuche, Informationen zu unterdrücken, oft zu deren verstärkter Verbreitung führen – wurde dabei als potenzielles Werkzeug betrieblicher Öffentlichkeitsarbeit diskutiert.

"Was unterdrückt werden soll, weckt oft besonderes Interesse", fasste eine Teilnehmerin zusammen. "Unter bestimmten Umständen können wir die gegen uns gerichteten rechtlichen Schritte nutzen, um unseren Anliegen mehr Gehör zu verschaffen."

Vernetzung und Solidarität als Gegenstrategie

Zum Abschluss des Seminars betonten die Veranstalter die Bedeutung von Vernetzung und Solidarität im Umgang mit SLAPP-Klagen. Die 2024 gegründete No SLAPP Anlaufstelle bietet Betroffenen kostenlose Erstberatungen und vermittelt bei Bedarf spezialisierte rechtliche Unterstützung.

Die positive Resonanz der Teilnehmenden lässt vermuten, dass weitere Veranstaltungen dieser Art folgen werden. Informationen zu kommenden Schulungen und Beratungsangeboten sind auf der Website der No SLAPP Anlaufstelle (www.noslapp.de) verfügbar.

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Anlaufstelle schult Journalist*innen und Interessierte bei Veranstaltung in Berlin

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Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Madeleine Petersen Weiner