Anlaufstelle schult Journalist*innen und Interessierte bei Veranstaltung in Berlin

Die No SLAPP Anlaufstelle richtete vergangenen Freitag in Kooperation mit Frag den Staat den vierstündigen Workshop "Angezeigt – Wenn das Strafrecht gegen Journalismus instrumentalisiert wird" im bUm am Paul-Lincke-Ufer in Berlin-Kreuzberg aus, um über den Umgang mit strafrechtlichen Einschüchterungsversuchen zu informieren.

In seiner Einführung betonte der Koordinator der No SLAPP Anlaufstelle, dass strafrechtliche Maßnahmen gegen Journalist*innen in Deutschland keineswegs Einzelfälle seien: "Neben zivilrechtlichen Verfahren werden zunehmend auch Strafanzeigen als taktisches Instrument eingesetzt, um kritische Berichterstattung zu unterbinden." Strafverfahren, selbst wenn sie später eingestellt würden, könnten enormen psychischen Druck erzeugen und erhebliche zeitliche und finanzielle Ressourcen binden.

Äußerungsdelikte und die Grenzen der Pressefreiheit

Den juristischen Hauptteil des Workshops bestritt Rechtsanwalt Robert Brockhaus, der die relevanten Straftatbestände und deren Anwendung auf journalistische Arbeit erläuterte. Im Fokus standen dabei die sogenannten Äußerungsdelikte nach §§ 185 ff. Strafgesetzbuch: Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung.

"Die Abgrenzung zwischen zulässiger kritischer Berichterstattung und strafbarer Äußerung ist oft nicht trivial", betonte Brockhaus. "Hier spielt das Grundrecht der Pressefreiheit eine entscheidende Rolle bei der Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften." Er erläuterte anhand konkreter Fallbeispiele, wie Gerichte diese Abwägung vornehmen und welche Kriterien dabei herangezogen werden.

Besondere Aufmerksamkeit widmete der Rechtsexperte dem Thema Verdachtsberichterstattung: "Bei Recherchen zu möglichen Missständen oder Straftaten bewegen sich Journalist*innen oft in einem rechtlichen Graubereich. Hier ist besondere Sorgfalt geboten, um sich nicht angreifbar zu machen." Er gab praktische Hinweise zur Formulierung von Verdachtsberichten und zur notwendigen Faktengrundlage.

Neben den klassischen Äußerungsdelikten thematisierte Brockhaus auch weitere Straftatbestände, die gegen Journalist*innen in Stellung gebracht werden, darunter:

  • Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen

  • Verbreitung persönlicher Daten (Doxing)

  • Hausfriedensbruch bei investigativen Recherchen

  • Nötigung und Bedrohung

Unterstützungsangebote durch den "Gegen Rechts Schutz"

Im zweiten Teil des Workshops stellte Hannah Vos, Rechtsanwältin und Leiterin des Legal Teams von FragDenStaat, das Projekt "Gegen Rechts Schutz" vor. Diese Initiative, die von FragDenStaat, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und dem Verfassungsblog getragen wird, bietet rechtliche Unterstützung für Personen, die sich strategischen Klagen und Strafanzeigen ausgesetzt sehen.

Ein besonderer Fokus des Workshops lag auf konkreten Handlungsempfehlungen für Journalist*innen, die mit einer Strafanzeige konfrontiert werden:

  1. Ruhe bewahren: Eine Strafanzeige ist zunächst nur der Beginn eines Verfahrens, nicht dessen Ergebnis.

  2. Rechtliche Unterstützung suchen: Frühzeitig spezialisierte Anwält*innen konsultieren.

  3. Dokumentieren: Alle Unterlagen und Beweise sorgfältig aufbewahren.

  4. Solidarität organisieren: Kolleg*innen, Redaktionen und Berufsverbände informieren.

  5. Öffentlichkeit als Schutz: In geeigneten Fällen kann Transparenz über die strafrechtliche Einschüchterung selbst ein wirksamer Schutz sein.

Die anschließende Diskussion zeigte den großen Informationsbedarf zum Thema. Teilnehmende berichteten von eigenen Erfahrungen mit rechtlichen Einschüchterungsversuchen oder von Fällen aus ihrem beruflichen Umfeld. Besonders intensiv diskutiert wurden präventive Strategien, um das Risiko strafrechtlicher Vorwürfe zu minimieren, ohne in Selbstzensur zu verfallen.

Der Workshop endete mit einem informellen Austausch bei Getränken, der von vielen Teilnehmenden für weitere Gespräche und Vernetzung genutzt wurde. Die No SLAPP Anlaufstelle kündigte weitere Veranstaltungen zu verschiedenen Aspekten rechtlicher Einschüchterung an, die im kommenden Jahr stattfinden sollen. Aktuelle Informationen dazu werden auf der Website www.noslapp.de veröffentlicht.

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Fallbesprechung: Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V.

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Anlaufstelle schult Journalist*innen und gewerkschaftlich Aktive bei Tagung in Köln