Einschüchterung der öffentlichen Beteiligung betrieblich Aktiver: Eine Bestandsaufnahme auf der Streikkonferenz
Ein Konferenzbericht von der 6. Konferenz Gewerkschaftliche Erneuerung "Gegenmacht im Gegenwind" (2.-4. Mai 2025)
Die 6. Konferenz Gewerkschaftliche Erneuerung in Berlin befasste sich mit verschiedenen Herausforderungen, denen Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertretungen aktuell gegenüberstehen. Neben Rechtsruck, Transformation und Kürzungspolitik war auch immer wieder die Dimension der strategischen Einschüchterung öffentlichkeitswirksamer Arbeit betrieblicher und gewerkschaftlich Aktiver greifbar. Die No SLAPP Anlaufstelle zum Schutz Publizistischer Arbeit in Deutschland folgt dem “CASE 2024 Report on SLAPPs in Europe” in der Einschätzung von betrieblicher Mitbestimmung und gewerkschaftlichen Aktivitäten als Hauptfelder, in denen SLAPPs vorkommen. Und hat sich entsprechend auf der sechsten Konferenz Gewerkschaftliche Erneuerung in Berlin umgesehen.
Restriktives Streikrecht als Einschüchterungsinstrument
Am Freitag stellten die Fachanwält*innen Mechthild Garweg und Daniel Weidman im Seminar "Umgang mit restriktivem Streikrecht in der Gewerkschaftsarbeit" dar, wie Arbeitgeber das ohnehin schon restriktive deutsche Streikrecht als Druckmittel gegen Gewerkschaften einsetzen. Unter anderem auch durch Unterlassungsklagen, Schadensersatzforderungen und einstweilige Verfügungen sollen Gewerkschaften und ihre Aktiven eingeschüchtert und von der Durchsetzung ihrer Rechte abgehalten werden.
"Union Busting zurückschlagen"
In der Arbeitsgruppe "Union Busting? Zurückschlagen!" am Samstag wurde das Thema rechtlicher Einschüchterung noch deutlicher adressiert. Andreas Köppe von der IG Metall zeigte anhand konkreter Fälle, wie Unternehmen systematisch versuchen, gewerkschaftliche Organisation zu verhindern – unter anderem durch strategische Klagen gegen Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute.
Marie-France Beusse, IG Metall-Vertrauensfrau beim Medizintechnikhersteller Ottobock, berichtete von eigenen Erfahrungen mit rechtlichen Einschüchterungsversuchen. Als Gegenstrategie empfahlen die Referent*innen eine Kombination aus Solidaritätsnetzwerken, Öffentlichkeitsarbeit und juristischer Gegenwehr – Ansätze, die auch im Anti-SLAPP-Bereich Anwendung finden.
Streikrecht unter Druck
Besonders eindrücklich wurde die Verbindung zur SLAPP-Problematik in der Arbeitsgruppe "Streikrecht unter Druck" am Samstagnachmittag. Peter Berg, ehemaliger Justiziar von ver.di NRW, und Ernesto Klengel vom Hugo Sinzheimer Institut analysierten aktuelle Entwicklungen im Arbeitskampfrecht. Gisela Neunhöffer von ver.di Berlin-Brandenburg ergänzte mit Beispielen aus der Praxis, wie bereits heute Gewerkschaften durch überzogene Schadensersatzforderungen und Unterlassungsklagen eingeschüchtert werden sollen.
Die Diskussion zeigte deutliche Parallelen zwischen der Arbeitskampfrechtsprechung und der SLAPP-Problematik: In beiden Fällen werden rechtliche Mittel nicht primär zur Durchsetzung berechtigter Ansprüche eingesetzt, sondern zur Einschüchterung kritischer Stimmen.
Strategien der Gegenwehr
Den Abschluss der Veranstaltungen mit mehr oder weniger expliziten Bezug zur Anti-SLAPP-Arbeit bildete am Sonntag die Arbeitsgruppe "Politischer werden, Gegenwehr organisieren, Bündnisse schließen", unter anderem mit Andrea Kühnemann (ver.di Berlin-Brandenburg) und Michael Erhardt (IG Metall Frankfurt). Die Diskussion konzentrierte sich auf die Frage, wie Gewerkschaften angesichts verschiedener Bedrohungen – darunter auch rechtliche Einschüchterung – handlungsfähig bleiben können.
Als wichtige Strategien wurden herausgearbeitet:
Öffentlichkeitsarbeit: Einschüchterungsversuche transparent machen und skandalisieren
Rechtliche Solidaritätsnetzwerke aufbauen
Gemeinsame Schulungen zu rechtlichen Risiken und Gegenwehrstrategien
Politische Initiative für eine Reform des Arbeitskampfrechts und besseren Schutz vor missbräuchlichen Klagen
Fazit: SLAPP als relevantes Querschnittsthema für Gewerkschaften
Die Konferenz hat gezeigt, dass SLAPP-ähnliche Einschüchterungsversuche für Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertretungen ein zunehmendes Problem darstellen – auch wenn der Begriff selbst noch nicht überall etabliert ist. Die Schnittstelle zwischen Anti-SLAPP-Arbeit und gewerkschaftlicher Praxis bietet großes Potenzial für gegenseitiges Lernen und gemeinsame Strategieentwicklung.
Für die Anti-SLAPP-Bewegung ist es wichtig, gewerkschaftliche Akteur*innen noch stärker einzubeziehen und deren spezifische Erfahrungen mit rechtlicher Einschüchterung zu berücksichtigen. Umgekehrt können Gewerkschaften von den Erfahrungen im Umgang mit SLAPP-Klagen im journalistischen und zivilgesellschaftlichen Bereich profitieren.
In Zeiten zunehmenden Drucks auf kritische Stimmen in der Gesellschaft ist eine Vernetzung aller von strategischer Einschüchterung Betroffenen wichtiger denn je – die Konferenz hat dafür wertvolle Anknüpfungspunkte geliefert.