Impulse des Anlaufstellen-Beirats zur Richtlinienumsetzung und anderer Anti-SLAPP Arbeit
SLAPPs bekommen auch in Deutschland zunehmende Aufmerksamkeit. Insbesondere der vielbeachtete Rechtsstreit zwischen Shell und Greenpeace hat das Thema in den öffentlichen Fokus gerückt. Bei der jüngsten Sitzung des juristischen Beirats der No SLAPP Anlaufstelle wurden aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Lösungsansätze diskutiert. Im Folgenden teilen wir die wichtigsten Erkenntnisse und Überlegungen.
Abgrenzung: Was ist ein SLAPP – und was nicht?
Eine der zentralen Herausforderungen im Umgang mit SLAPPs ist ihre präzise Definition und Abgrenzung. Die Beiratsmitglieder betonten, dass nicht jede Abmahnung oder Klage im Äußerungsrecht automatisch ein SLAPP darstellt. Es bedarf einer genauen Begriffsschärfung, wie sie auch in der EU-Richtlinie 2024/1069 vorgesehen ist.
Anhand konkreter Beispiele wurde diskutiert, welche Fälle tatsächlich SLAPP-Charakteristika aufweisen. Als besonders klares Beispiel wurde der Fall eines Journalisten genannt, der eine Blockade lediglich dokumentiert hatte, jedoch rechtlich belangt wurde, als wäre er selbst als Aktivist tätig gewesen.
Die Teilnehmenden stellten außerdem fest, dass der Ton insbesondere bei wirtschaftlicher Berichterstattung zunehmend rauer wird. Manche Gegenseiten kommunizieren offen, "Widerstand gegen Berichterstattung" zu leisten, da es aus ihrer Sicht nicht sein könne, dass Journalisten und Aktivisten uneingeschränkt publizieren dürfen.
Breites Verständnis von SLAPPs notwendig
Der Beirat plädierte für eine möglichst weite Auslegung der EU-Richtlinie auf nationaler Ebene und ein umfassendes Verständnis von SLAPPs. Dies betrifft sowohl zivil- als auch strafrechtliche Verfahren. Ein Beiratsmitglied berichtete von einem aktuellen Fall, in dem einer Mandantin wegen eines kritischen Leserbriefs bezüglich einer rechten Aktivistin eine Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung droht.
Als besonders wichtig wurde die Unterstützung im Vorfeld identifiziert: Viele Betroffene ziehen sich lieber schnell zurück, als sich auf einen langwierigen rechtlichen Kampf einzulassen. Eine frühzeitige Ersteinschätzung kann Betroffenen die nötige Sicherheit geben, ihre Position zu verteidigen.
Umsetzung der EU-Richtlinie: Handlungsempfehlungen
Ein zentraler Diskussionspunkt war die nationale Umsetzung der europäischen Anti-SLAPP-Richtlinie. Die Beiratsmitglieder bewerteten die Handlungsempfehlungen des No SLAPP Bündnisses und diskutierten insbesondere kritisch die Frage einer möglichen Streitwertdeckelung.
Mehrere Beiratsmitglieder äußerten Bedenken gegenüber einer pauschalen Streitwertdeckelung, da das Persönlichkeitsrecht nicht mit dem Datenschutzrecht vergleichbar sei. Zudem könnte eine zu niedrige Deckelung dazu führen, dass sich die anwaltliche Vertretung für Betroffene finanziell nicht mehr lohnt – sofern keine alternative Finanzierungsform gefunden wird.
Stattdessen wurden folgende alternative Ansätze diskutiert:
Transparenzpflichten: Abmahnende sollten verpflichtet werden, sehr hohe Ansprüche transparent zu begründen
Kostentragungspflicht: Bei unrechtmäßigen oder missbräuchlichen Abmahnungen sollten die Kosten vollständig von der abmahnenden Partei getragen werden
Schadensersatzansprüche: Bei missbräuchlichen Verfahren sollten Betroffene Anspruch auf Schadensersatz haben
Das Bündnis hatte aufgrund früherer kritischer Rückmeldungen die Forderung nach einer Streitwertdeckelung bereits zurückgezogen. Die Beiratsmitglieder empfahlen, stattdessen die Kriterien für Rechtsmissbrauch präziser auszubuchstabieren und zu differenzieren.
Die Diskussion des Beirats verdeutlicht die Komplexität des Themas SLAPP und die Notwendigkeit differenzierter Lösungsansätze. Die No SLAPP Anlaufstelle wird die wertvollen Impulse aufnehmen und in ihre weitere Arbeit integrieren. Besonders die Empfehlungen zur nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie werden in die Gespräche mit dem Bundesjustizministerium einfließen.
Die zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema SLAPP, unter anderem durch die aktuelle Otto Brenner Studie "Einschüchterung ist das Ziel" und die Arbeit von Civil Liberties for Europe, bietet die Chance, wirksame Schutzmaßnahmen gegen rechtsmissbräuchliche Einschüchterungsversuche zu etablieren und die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland nachhaltig zu stärken.
Die No SLAPP Anlaufstelle bietet Unterstützung für Betroffene von strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung. Weitere Informationen finden Sie unter www.noslapp.de.